BGH, Urteil vom 04.05.2017 – IX ZR 285/16 zu § 133 InsO:

Der Bundesgerichtshof hat ein neues Urteil zur „alten“ Rechtslage bei der Insolvenzanfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung erlassen, das Bedeutung hat für Handelsunternehmen, Industrie und Handwerk, deren Kunden in Insolvenz gefallen sind.

Der eigentlich als Ausnahmevorschrift geschaffene § 133 InsO hat durch die Rechtsprechung des BGH eine Ausweitung erfahren, so dass die meisten Anfechtungen der Insolvenzverwalter sich nach dieser Vorschrift richten, zumal die Anfechtungsfrist von 10 Jahren auch extrem lang ist. Der BGH hat Vermutungen aufgestellt, wann dem Anfechtungsgegner Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung und dem Vorsatz dazu zurechenbar ist.

Gleichfalls ist anerkannt, dass bei einem bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausch (Vertrag mit gleichwertigen Leistungen, Zahlung innerhalb von 30 Tagen) regelmäßig keine Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht besteht.

Hierzu ist das neue Urteil ergangen: Eine Insolvenzanfechtung bei einem bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausch ist idR nur nach § 133 InsO anfechtbar,

  • bei Erkennbarkeit einer dauernden Verlustwirtschaft des Kunden
  • der Insolvenzverwalter trägt die Beweislast

Begrüßenswert ist, dass die Insolvenzanfechtung dadurch eingeschränkt wird, jedoch hat der BGH nichts zur Beweislast des Insolvenzverwalters ausgeführt.

Diese Entscheidung ist zur Rechtslage bei Insolvenzen ergangen, die vor dem 05.04.2017 eröffnet worden sind; sie ist also wichtig für alle jetzt laufenden Insolvenzanfechtungen.

Für Insolvenzverfahren, die ab dem 05.04.2017 eröffnet werden, gelten bei Kundeninsolvenzen die neuen Regeln, nämlich

  • Verkürzung der Anfechtungsfrist auf vier Jahre
  • Vermutung der Kenntnis der Benachteiligungsabsicht nur bei Kenntnis der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit
  • bei Zahlungsvereinbarungen / -erleichterungen wird vermutet, dass keine Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz besteht
  • Insolvenzanfechtung bei einem Bargeschäft setzt zusätzlich eine Unlauterkeit voraus (§ 142 InsO)

Das bedeutet, dass bei der Sachlage des neuen BGH-Urteils trotz Kenntnis von der dauernden Verlusterwirtschaftung des Kunden nach der neuen Rechtslage keine Insolvenzanfechtbarkeit nach § 133 InsO gegeben wäre.

Ratschläge für die Praxis:

Es bleibt dabei, dass die Rechtslage bei Insolvenzanfechtung kompliziert und gefährlich bleibt. Mittelständische Unternehmen sollten rechtzeitig Rat bei einem Fachanwalt für Insolvenzrecht suchen. Insbesondere sollte darauf geachtet werden:

  • Zahlungen möglichst innerhalb von 30 Tagen abwickeln (Bargeschäft)
  • Zahlt der Kunde nicht rechtzeitig, Zahlungen immer auf die aktuellen Forderungen (30 Tage) verwenden
  • AGB verwenden, die einen verlängerten Eigentumsvorbehalt (keine Erweiterungen auf andere Waren uÄ) beinhalten
  • Rechtzeitig Zahlungsvereinbarungen treffen
  • Titel erwirken und vollstrecken (nach drei Monaten insolvenzfest)
  • Bei juristischen Personen: Drittsicherheiten und persönliche Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung nicht vergessen.
  • Versuch Erklärungen des Kunden zu vermeiden, dass er in Insolvenzgefahr o.Ä. ist
  • Versuch, mit den maßgeblichen Gläubigern eine Regelung zu finden, dass allgemein Raten gezahlt werden (Gleichbehandlung ohne Insolvenzverfahren; spart Kosten)
  • Möglichst Aussonderungsgut / Absonderungsgut vor Insolvenz herausgeben lassen
  • Anfragen des vorläufigen / endgültigen Insolvenzverwalters so knapp wie möglich oder nach einer vorher festgelegten Strategie beantworten

Die Rechtslage ist kompliziert, häufig wandeln sich die Gesetze und die Rechtsprechung im Insolvenzrecht, so dass idR nur ein spezialisierter Fachanwalt für Insolvenzrecht helfen kann.

Verfasser:

Rainer Froese, LL.M. oec.

– Rechtsanwalt –

Fachanwalt für Steuerrecht

Fachanwalt für Insolvenzrecht

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